sportal.de-Bundesliga-Check: Der FC Bayern München

Louis van Gaal hatte mit Schwierigkeiten zu kämpfen
Keine teuren Neuzugänge und eine durch widrige Umstände gestörte Vorbereitung - beim FC Bayern verlief vor der Saison einiges anders als gewohnt. Doch trotz dieser Probleme bleibt letztlich alles wie gehabt, die Bayern werden Meister, wie sportal.de prognostiziert.
So lief der Sommer
Die Vorbereitung des FC Bayern auf die neue Saison wurde zum Kollateralschaden der WM. Louis van Gaal dürfte sich wie ein Mängelverwalter vorgekommen sein, da zum Trainingsauftakt an der Säbener Straße keiner seiner Topleute erschien. Der Aggressiv-Leader Mark van Bommel, Emotional-Leader Bastian Schweinsteiger, WM2010-Scorer-Leader Thomas Müller, Fast-All-Time-Torschützenkönig Miroslav Klose usw. weilten alle noch bei der WM bzw. anschließend im Urlaub.
Damit das Rumpfteam im Trainingslager am Gardasee nicht immer nur 4 gegen 2 spielen musste, wurden händeringend junge Männer zum Mitreisen gesucht. Doch trotz eiligst rekrutierter Amateure fehlten Van Gaal noch Spieler für ein Testspiel, so dass sein Improvisationstalent weiter arg strapaziert wurde. Plötzlich musste Fitnesstrainer Marcelo Martins im Mittelfeld wirbeln, Ersatzkeeper Thomas Kraft den Innenverteidiger geben und Clubarzt Dr. Lutz Hänsel auf der Bank für Einsätze parat sitzen - doch nicht wie sonst für den medizinischen, sondern im Bayern-Trikot für den sportlichen Notfall.
"Parvo Contento" (nein, wir meinen nicht Diego, sondern den lateinisch Ausdruck für "mit wenig zufrieden sein") lautete der Not gehorchend das Motto beim Rekordmeister. Denn selbst als die Nationalspieler Anfang August nach München zurückgekehrt waren, war nicht Schluss mit der Improvisiererei weiter. Die Ausfälle von Arjen Robben und eventuell Martin Demichelis ziehen weitere Experimente nach sich. Dafür bleiben Van Gaal nicht einmal mehr drei Wochen. Das diese relativ kurze Zeit letztlich auch kein großes Problem darstellt, zeigte der Supercup-Sieg gegen Schalke, wo es, bis auf ein paar Unsicherheiten nach Standards, gut lief. Die Truppe ist eingespielt, mit Breno, der ohnehin noch Monate verletzt ausfällt, und Toni Kroos kehrten nur zwei ausgeliehene Spieler in den Kader zurück, richtige Neuzugänge müssen nicht integriert werden. Jeder weiß, was er zu tun hat.
Doch mit dem neuen Motto "Diego Contento" bewies van Gaal, wie gerne er sich selbst neue Herausforderungen auferlegt. Er verzichtete darauf, für die allseits vor allem in der Champions League als Schwachstelle ausgemachte linke Abwehrseite einen international erfahrenen Mann zu kaufen und beförderte den Nachwuchsspieler zur Stammkraft. Ein Risiko? Ja, aber wohl ein kalkulierbares. Denn dass Van Gaal weiß, wie man junge Spieler entwickeln und schnell verbessern kann, bewies der rasante Aufstieg von Thomas Müller und Holger Badstuber.
Die 4-2-3-1-Frage
Wer hat das 4-2-3-1 erfunden? Van Gaal natürlich: Der Coach führte die Bayern mit dieser Taktik erst zum nationalen Double und dann ins Finale der Champions League. Später verkaufte er die Nutzungsrechte an Jogi Löw, gab ihm dazu noch seine besten Spieler mit und durfte somit auch noch Anteile am dritten WM-Platz für sich verbuchen
So lautet zumindest die Meinung einiger Hardcore-Bayern-Fans. Nun hat Van Gaal das System zwar nicht erfunden, aber immerhin bei Bayern installiert. Er lässt den Rekordmeister damit endlich nicht nur erfolgreichen, sondern auch attraktiven Fußball in München spielen. Daher gilt für den Coach das, was auch seit Jahren für die Computer der sportal.de-Redaktion gilt: "Never change a running system". Das 4-2-3-1 oder dessen je nach Spielverlauf leichte Abwandlung 4-4-1-1, das Van Gaal für die neue Saison als ideale Grundausrichtung vorschwebt, passen ideal zum FC Bayern.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten haben es die Spieler - wie die Erfolge der letzten Saison beweisen, mitlerweile auch verinnerlicht. Die nötigen Automatismen sind da, auch wenn, so der Trainer, noch Steigerungsmöglichkeiten bestehen. Van Gaal kommt zudem entgegen, dass er über einige vielseitig einsetzbare Akteure verfügt und er so im Falle von Verletzungen oder Sperren vielfältig variieren kann. So kann Thomas Müller z.B. nicht nur zentral hängend spielen, sondern auch die einzige Spitze sein oder aber wie bei der WM gefährlich über rechts kommen.Toni Kroos ist ebenfalls sowohl auf dem linken Flügel als Alternative zu Franck Ribéry als auch zentral stark.
Wer darf sich nicht verletzen?
"Ganz klar: Arjen Robben!", hätte man nach der letzten Saison gesagt. Er war der Mann für die wichtigen Tore, gerade in der Champions League hätten die Bayern ohne ihn nie das Finale erreicht. Nun ist der angenommene Worst Case bereits vor Saisonbeginn eingetroffen. Allerdings können die Bayern im Prinzip auf fast jeder und damit auch auf Robbens Position mit hervorragenden Alternativen aufwarten. So kommen sowohl Müller als auch Hamit Altintop auf seiner Position in Frage und könnten den Niederländer vertreten.
Für Kroos, dem Van Gaal versprochen hatte, ihm eine Position in seinem System zu schaffen, bedeutet dies, dass er gleich zum Auftakt die Chance bekommen wird, seine Ansprüche auf einen Stammplatz mit Leistung zu untermauern. Da Van Gaals Lieblingsschüler Müller wohl auf rechts rücken wird, wird die zentrale Position für den Ex-Leverkusener frei. In der Bundesliga ist der Robben-Ausfall daher wohl zu kompensieren. Wollen die Bayern aber auch international etwas erreichen, dann darf der Niederländer nicht zu lange fehlen. Denn gerade seine Erfahrung, Akzente und Tempodribblings machen nun einmal auf diesem Level den Unterschied aus.
Die Frage an den Fan
Oliver Schmidt vom Bayern-Weblog breitnigge.de sagt auf die Frage:"Verhindert die Viererkette mit Contento - Badstuber - van Buyten und Lahm den großen Wurf der Bayern in der Champions League?
"Nein, ich denke nicht, dass der FC Bayern, was seine Vierkette angeht, übermäßig pessimistisch sein muss. Warum? Weil wir alle schon vor der letzten Saison dachten, wir müssten mehr investieren - und was hat Trainer van Gaal dann aus Spielern wie Badstuber oder Thomas Müller gemacht? Von der dritten Liga zum Torschützenkönig und besten Nachwuchsspieler der WM!
Genau deshalb denke ich, dass ein Contento den gleichen Weg gehen kann. Und ein Badstuber wird ebenfalls nicht schlechter werden auf seiner eigentlichen Position. Alles wird gut."
Der Griff nach der Sportherrschaft
Nur den deutschen Fußball zu dominieren reicht den Bayern längst nicht mehr. Dass Uli Hoeneß weit über den Rand der Meisterschale hinausblickt, ist seit langem bekannt. Nach der Finalteilnahme im letzten Jahr haben sich die Bayern für die Champions League erneut einiges vorgenommen.
Zudem baut der Präsident mittlerweile auf ein zweites Standbein und will den Allmachtsanspruch seines Clubs schrittweise auch auf andere Sportarten ausweiten, so aktuell im Basketball, einer der erklärten Lieblingssportarten des Machers. Mit Dirk Bauermann wurde ein hervorragender Trainer geholt, der die Basketball-Abteilung zu einem "hoffentlich dominaten Aufstieg" (O-Ton Bauermann) in die Bundesliga und dann noch viel weiter führen soll. Es stellt sich die spannende Frage: Schaffen die Basketballer vor den Fußballern einen europäischen Wettbewerb zu holen?
Prognose
Obwohl die Truppe im Großen und Ganzen eingespielt ist, wie der Supercup-Sieg bewies, werden die Bayern aufgrund der alles andere als optimalen Vorbereitungsbedingungen sicherlich mit kleineren Starschwierigkeiten zu kämpfen haben. Wenn es trotzdem aber ruhig bleibt, wird der Rekordmeister spätestens ab Oktober, wenn dann auch Arjen Robben wieder zur Verfügung stehen wird, zur vollen Stärke zurückgefunden haben.
Der Meistertitel sollte daher eigentlich nur Formsache sein. Ob es aber auch in der Champions League etwas zu feiern gibt, ist eher fraglich. Auch wenn der Kollege Oliver Schmidt große Stücke auf sie hält, sportal.de bereitet nach wie vor die Viererabwehrkette einige Sorgen. Philipp Lahm ist zwar über jeden Zweifel erhaben, doch ob die linke Seite mit Contento und Badstuber höchsten Ansprüchen genügen kann, ist unserer Meinung nach fraglich.
Am fehlenden Willen wird es jedenfalls nicht liegen, die Bescheidenheit, die Bayern zum größten Teil gezwungener Maßen in der Vorbereitung an den Tag legen musste, gilt nicht für ihre Titelansprüche. Der Supercup soll nur ein Anfang gewesen sein, das Feierbiest Van Gaal will noch mehr.
Malte Asmus