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sportal.de-Bundesliga-Check: Der SC Freiburg
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Jan Rosenthal könnte die Freiburger-Überraschung werden

Papiss, ich weiß was Du diesen Sommer getan hast! Der SC Freiburg wurde durch die 1:4-Pleite gegen den FSV Frankfurt und die Rote Karte von Papiss Cisse aus der gewohnten Ruhe gerissen. sportal.de erklärt, warum der Sportclubfan sein Klischee vom SC Harmonie Freiburg dennoch nicht überdenken muss.

So lief der Sommer

Nürnberg konnte Ex-Nationalspieler Timmy Simons (74 Länderspiele für Belgien) verpflichten, St. Pauli holte Ex-Nationalspieler Gerald Asamoah (43 Länderspiele). Anders machte es der SC Freiburg. Die Breisgauer setzen weiterhin auf junge talentierte Spieler, die ihre Leistungsstärke in der Bundesliga bisher nur angedeutet haben. Jan Rosenthal ist so ein Spieler, er kam von Hannover 96. Selbiges gilt auch für Maximilian Nicu, der von Hertha BSC Berlin in den Breisgau wechselte - die beiden prominentesten Neuzugänge des SC Freiburg. Dazu kam noch der talentierte Sohn des ehemaligen Bundesligaprofis Igor Pamic, Zvonko Pamic (19) von Bayer Leverkusen.

In der Vorbereitung musste Freiburg drei Niederlagen hinnehmen. Das 1:2 gegen Werder Bremen konnte man verschmerzen, das peinliche 1:4 gegen den FSV Frankfurt tat weh: "So eine Leistung ist inakzeptabel, speziell wenn wir hier in der Region vor unseren Fans spielen. Das kann ich so nicht hinnehmen", wetterte Trainer Robin Dutt in der Badischen Zeitung. Zudem ließ sich Papiss Cisse zu einer Tätlichkeit hinreißen und kassierte eine Rote Karte. Es gab aber auch Lichtblicke, wie das 3:0 gegen den FC Sochaux und zuletzt der überzeugende 2:0-Sieg gegen 1860 München. "Wir wollten zeigen, dass das Spiel gegen Frankfurt eine absolute Ausnahme war. Ich denke, das ist uns heute gelungen", kommentierte der Schütze des zweiten Treffers, Maximilian Nicu.

Die Baustelle des SC wurde im letzten Test gegen den ambitionierten Zweitligaclub aus Ingolstadt deutlich. Bei der Niederlage im Elfmeterschießen agierten die Freiburger im Angriff ohne den gesperrten Cisse harmlos. Der wiedergenesene Tommy Bechmann mühte sich in der ersten Hälfte, in Durchgang zwei musste Uwe Zangl von den Freiburger Amateuren aushelfen, da Stefan Reisinger verletzt fehlte.

Die 4-2-3-1-Frage

Robin Dutt war Jahrgangsbester beim Trainerscheinerwerb 2005. Ein solcher Trainer passt sich keiner Mode an. Freiburg spielt nicht das derzeit angesagte 4-2-3-1-System, sondern das eigens entwickelte 4-1-4-1. Erstmals beim Spiel gegen die Bayern führte Robin Dutt diese Variation ein. "Bei den Bayern konnten wir ja ohnehin nicht mit zwei Spitzen spielen, mussten kompakter stehen. Dann haben wir gesagt: Probieren wir nochmal was aus. Wir hatten ja wenig zu verlieren. Und plötzlich haben nicht nur wir, sondern auch das Umfeld erkannt: Mit einem Stürmer zu spielen, heißt nicht automatisch defensiver zu spielen", so der Taktikfuchs gegenüber der Badischen Zeitung.

Die Systemumstellung war ein Garant dafür, dass der SC Freiburg die Klasse hielt und auch in dieser Saison die Bayern empfangen kann. Die Variabilität des in Freiburg praktizierten 4-1-4-1 zeigt aber, dass das Dutt-System doch nicht so weit vom weltmeisterlichen 4-2-3-1 entfernt ist. Übereinstimmung herrscht zunächst darin, dass es nur einen Stoßstürmer gibt (Papiss Cisse). Dahinter spielen die Freiburger mit drei offensiv orientierten Spielern (Nicu über links, Makiadi zentral, Jäger über rechts) und einem Mann zwischen den Welten (Jan Rosenthal). Der Ex-Hannoveraner spielt eine Mischung aus Sechser und Achter, zentral im Mittelfeld ist er die wichtige Schaltzentrale vor dem eigentlichen defensiven Mittelfeldspieler Julian Schuster. Lässt Rosenthal sich als zweiter Abräumer fallen, dann ist das Freiburger Erfolgskonzept durchaus eine Variante des 4-2-3-1.

Weiterführende Links:

Doch Dutt wäre nicht Dutt, wenn er nicht noch einen Plan B in der Tasche hätte. Im Trainingslager wurde immer wieder die Umstellung auf ein 4-4-2 geprobt. Das Problem in diesem System, wie auch im 4-1-4-1, ist die qualitative Dichte des Freiburger Kaders im Angriffsbereich. Mit Mohammadou Idrissou ging der beste Torschütze (9 Treffer, 4 Vorlagen). Nur ein Freiburger Stürmer hat derzeit das Potenzial, Idrissous Torquote zu erreichen: Papiss Cisse! Dahinter konnten Tommy Bechmann und Stefan Reisinger ihre Bundesligatauglichkeit bisher noch nicht unter Beweis stellen.

Wer darf sich nicht verletzen?

Der Winterneuzugang Papiss Demba Cissé kam aus der zweiten französischen Liga in den Breisgau und nutzte seine erste Bundesligahalbserie um in der Liga Fuß zu fassen. Mit sechs Toren in 16 Spielen deutete er seine Klasse an. Cisse war auch in der Vorbereitung einer von Freiburgs besten Spielern, traf unter anderem gegen den FC Sochaux, bis zu seiner Roten Karte. Zwar wurde er nur für drei Freundschaftsspiele gesperrt, dennoch stellt sich die Frage, wer kann Cisse adäquat ersetzen?

Die sportliche Führung des SC Freiburg weiß um den Engpass im Angriff und ist durchaus gewillt, auf dem Transfermarkt noch einmal tätig zu werden. "Wir sondieren den Markt und schauen uns nach Angreifern um", erklärte Sportdirektor Dirk Dufner im kicker, "aber unsere finanziellen Möglichkeiten sind überschaubar. Alleine wegen der Konkurrenzsituation müssen wir was machen."

Die Frage an den Fachmann

sportal.de: Nach dem 1:4 gegen FSV Frankfurt und der Roten Karte wegen einer Tätlichkeit für Papiss Cisse stellt sich die Frage, ob die Harmonie in Freiburg ein Trugbild ist?
Rene Kübler (Badische Zeitung): Nein, in den letzten Jahren war in der Vorbereitung immer ein schlechtes Spiel dabei. Aber solche Spiele sind eher untypisch für die Mannschaft. Und zur Roten Karte von Pipiss Cisse: Cisse ist ein ganz ruhiger und zurückhaltender Spieler, der bisher in Freiburg nie negativ aufgefallen ist. Ich war gerade mit dem SC Freiburg im Trainingslager und kann sagen: Der Teamgeist bleibt das große Plus der Mannschaft - trotz des Kampfes um die Stammplätze, der wie überall intensiv geführt wird.

sportal.de: Wer wird die große Überraschung der neuen Saison?
Rene Kübler (Badische Zeitung): Wer bisher angedeutet hat, dass er eine richtige Verstärkung werden kann, ist Jan Rosenthal. Er ist ein richtig guter Fußballer, konnte sein großes Potenzial zuletzt in Hannover aber nicht mehr abrufen. Wenn ihm das in Freiburg gelingt, und einiges deutet darauf hin, wird er den SC nach vorn bringen.

Freiburg in der Champions League

Der SC Freiburg ist der zweitbeste Verein der Liga. Nein, es handelt sich hierbei nicht um die sportal.de-Prognose, auf welchem Tabellenplatz Freiburg am Ende der Saison landen wird, sondern um das Urteil der Mediadesign Hochschule mit Standorten in Berlin, München und Düsseldorf. Dort erstellt eine Jury aus dem Fachbereich Modedesign jährlich eine Rangliste für die 18 Heimtrikots der Bundesligisten, nach dem sportal.de-Vorbild "Germanys next Toptrikot", auf.

Dort heißt es also, Freiburg trage das "eleganteste Trikot der Bundesliga 2010" denn in Freiburg habe man "begriffen, dass der Fußballer von heute nicht nur Fußballspielen können muss, sondern auch gleichzeitig Promi und Sexsymbol ist." Die Begründung wird dabei konkreter, ohne die geschliffene Rhetorik des sportalinternen Modebeauftragten Daniel Raecke ("Germanys next Toptrikot") zu erreichen. So erfahren wir also, dass "dieses smarte Rot, dieser figurbetonte Schnitt, dieser schnieke Polokragen" die Gründe zu sein scheinen, warum die Freiburger "von introvertiert bis raubtierhaft" alle "Klischees in einem Stück Stoff" bedienen. Am Ende kürte die MDH Freiburgs Trikot zur "heimlichen Nummer eins", die nur noch vom Bronze-Jersey des FC St. Pauli geschlagen wird.

Prognose

Kapitän Heiko Butscher hat die Bodenhaftung nicht verloren. "Einfach nur drinbleiben", formulierte Butscher laut Rheinischer Post das alljährliche Ziel des Underdog. "Wenn uns der Klassenerhalt früher gelänge als in der vergangenen Saison, dann wäre das ein Riesenerfolg." sportal.de ist der Meinung, dass dieser "Riesenerfolg" keine Hexerei sein wird, sondern das Ergebnis von harter Arbeit, einer spielerisch starken Mannschaft und eines taktisch mit allen Wassern gewaschenen Coaches. Das große Plus bleibt die Harmonie im Breisgau. Hier wird nicht am Trainerstuhl gerüttelt und die Mannschaft ist eine eingeschworene Gemeinschaft. Am Ende springt für den Sportclub Platz 13 heraus.

Michel Massing